Ab morgen. Ab morgen, dann wirklich.

Ab morgen. Ab morgen, dann wirklich.

Ich habe aufgehört zu zählen – vermutlich nie angefangen, in der weisen Voraussicht, dass sich die Zahl am Ende in einem Bereich befinden würde, der außerhalb meines Vorstellungsvermögen liegt: Sowas wie 10 hoch dreitausend Millionen.

Wovon ich spreche? Von meinen „Ab morgen. Ab morgen, dann wirklich“ -Momenten. Ab morgen gehe ich vor Mitternacht ins Bett. Ab morgen esse ich weniger Kekse (am besten gar keine mehr). Ab morgen lege ich die T-Shirts gleich wieder zusammen, wenn ich sie aus dem Schrank genommen und doch nicht angezogen habe. Ab morgen. Ab morgen, dann wirklich.

Aber weil heute zum Glück noch nicht morgen ist, wird die Nacht wieder zum Tag gemacht. Ja, weil heute zum Glück noch nicht morgen ist, wird eine ganze Packung Kekse verdrückt – denn 1. Ist es nach der Hälfte der Packung „Jetzt eh egal“ und 2. Muss man sich ja auch nochmal was gönnen, bevor man das Projekt „Super-healthy-super-fresh-Kuchen-und-Kekse-erst wieder-zur-Hochzeit“ startet. Außerdem müssen die Leckereien weg, sie würden die Sache nur unnötig verkomplizieren, wenn sie morgen noch im Schrank lägen.
Und weil heute zum Glück noch nicht morgen ist, werden die T-Shirts aus dem Schrank gerissen und zurückgeknüllt oder sie verteilen sich wie von Zauberhand im Zimmer – vorzugsweise über Stuhllehnen und auf dem Sessel. Dort sind sie in guter Gesellschaft, neben den Jeans, Pullovern und einzelnen Socken, die es die letzten Tage in die engere Auswahl (aber nie an den Körper) geschafft haben oder die auf der Suche nach etwas Tragbarem in den Untiefen meines Schrankes einfach im Weg lagen. (Welche Farbe hatte eigentlich nochmal der Sesselbezug? War er grau oder blau?)
Ich könnte mal ausmisten und den Schrank wieder einräumen. Oder ich könnte wenigstens keine weiteren Sachen auf den Klamotten-Turm werfen.
Naja, ab morgen.

Diese Taktik ist so ausgeklügelt und universell, dass sie nahezu jeden Tag angewendet werden kann. Es gibt immer wieder ein morgen. Und was ist an heute schon so besonders, um „Der Tag“ zu werden? Lieber ab morgen – da ist ja auch Montag, der eignet sich eh viel besser, um sein Leben umzukrempeln. Oder der Morgen nach morgen – da ist Monatsbeginn, ein wunderbarer Anlass, um seine Gewohnheiten zu ändern. Halt, wieso nicht ab Sonntag, da sind es noch genau hundert Tage bis Weihnachten – ein perfekter Zeitpunkt (und ich könnte am Freitag und Samstag nochmal ausgiebig schlemmen.)

„Nicht ab morgen.
Ab heute. Ab jetzt.“, sagt mein Gewissen.

„Halt doch mal die Klappe.“, antworte ich.
„Alles klar, mach ich“, erwidert mein Gewissen, „Ab morgen. Ab morgen, dann wirklich.“

1 Kommentar

  1. 9. Februar 2018 / 22:28

    Schöne Worte. Schöner Kampfruf gegen das Gewissen und für das Tun. Jetzt zu beginnen.
    Ich mag deine vielen kurzen aber intensive Texte. Danke!

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