Incredible India – Was ich in Indien gelernt habe Reisetagebuch #21

Incredible India – Was ich in Indien gelernt habe Reisetagebuch #21

AWohin auch immer wir reisen,
wir suchen, wovon wir träumten,
und finden doch stets
nur uns selbst.
[Günter Kunert]

 

1. Keine-Erwartungen sind die besten Erwartungen

Wie beeindruckend muss wohl der Taj Mahal sein, wie traumhaft die Strände Goas… Auch wenn A. und ich vor unserem Indien-Abenteuer relativ wenig geplant und recherchiert hatten – ganz ohne Erwartungen bleibt man natürlich nie. Und ohne Frage, der Taj Mahal war beeindruckend und die Strände in Goa nicht schlecht, aber den Atem geraubt haben mir ganz andere unerwartete, unscheinbare, ungeplante Momente: Ein Abend auf einer Dachterrasse in Jaisalmer. Eine Nacht in der Wüste Thar unter dem wohl schönsten Sternenhimmel der Welt. Ein unverhofft geschenktes Armband. Lange Gespräche auf der Veranda vor unserem Homestay in Kerala, während der Regen monsunartig auf die Dächer prasselte…

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2. Was andere denken ist egal

Auf langen Zugfahrten die zweite oder gar erste statt der „Holzklasse“ nehmen? Mal einen Kaffee bei Starbucks statt einen Chai am Straßenstand kaufen? Mal Kulturbanause sein und ein paar Tempel und Museen von der To-do-Liste streichen? Einfach mal keine Lust auf andere Touris haben und ein paar Tage nur mit der Freundin und TukTuk Fahrern sprechen? Ist das dann „richtiges“ Backpacking? Sind wir schlechte Reisende? 1. Ja und 2. nein! Denn: Das ist unser Trip, unser Abenteuer, unsere Entscheidungen. Alles ist richtig, solange wir es für richtig halten.

3. Genieß den Moment

Es klingt abgedroschen, aber so ist es: Öfter mal den Kopf ausschalten, den Augenblick genießen, nicht an morgen denken. Glücklich sein. Jetzt ist der Moment!

4. Vertraue [auf dein Bauchgefühl]

Als uns ein Taxi-Fahrer anbot, uns einmal sein Dorf zu zeigen, seine Familie und seine Nachbarschaft vorzustellen, waren wir baff: Was für eine Möglichkeit! Natürlich nehmen wir die an! Im Auto, nach zwei Stunden Fahrt, Delhi längst hinter uns, kein Orts- geschweige denn Straßenname weit und breit, wurde uns dann doch ein bisschen mulmig. Dieser Kerl könnte uns jetzt ja eigentlich überall hinfahren?! Wir hätten nicht mal Handynetz, um die Polizei zu rufen. Überhaupt: Was sollten wir denen schon sagen – vollkommen planlos, wo wir überhaupt sind… Und seien wir mal ehrlich: Selbst wenn wir der Polizei irgendwie begreiflich machen könnten, was Phase ist – bis die vor Ort wären, hätte Mr. Taxi unsere Kleinteile schon längst an zwanzig Gottheiten opfern können. Aber alles lief glatt, unser Bauchgefühl trog nicht – wie eigentlich immer auf der Reise! (Apropos Trog – ne Kuh im Vorgarten, wer hat das schon!)

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5. Morgen kann die Welt schon wieder ganz anders aussehen

In sechs Wochen gibt es auch Tage, die blöd sind und Orte, an denen man sich nicht wohl fühlt. Pushkar war für uns so ein Fall! Was für viele wohl DER Ort auf ihrer Indien-Tour ist, war für uns einfach nur ein Graus. Ich kann mich nicht erinnern, mich in einer Umgebung je so unwohl gefühlt zu haben. Und ich kann nicht einmal genau sagen, weshalb. Doch hier gilt: Erst mal ne Nacht drüber schlafen, dann sieht die Welt oft schon wieder ganz anders aus – es geht’s einem besser, man ist an den Erlebnissen der vorhergehenden Tage gewachsen oder zieht einfach weiter.

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6. Wenn du einem Inder auf einem Basar deinen Namen gesagt hat, kennt ihn direkt die ganze Straße

Dem ist nicht viel hinzuzufügen.  „Anna! Beautiful name! Come, look – beautiful shawl for beautiful woman! Just looking, okay? Not buying, only looking. No problems! Anna! Hello! Anna! Look here! Anna! Alles klar? Germany? Anna, look, nice sari! Good price!“

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7. Es gibt einen Unterschied zwischen Mut und Leichtsinn

Ja, ich denke, man kann sagen, dass es mutig ist, nach Indien zu reisen – nicht, weil es so gefährlich ist, sondern in erster Linie, weil man sich einer ganz neuen Welt hingibt und auch sich selbst (wie wahrscheinlich auf fast jeder längeren Reise) von einer anderen Seite kennenlernt. Es gehört Mut dazu, sich auf fremde Menschen einzulassen, sich aber auch mal zu behaupten und Nein sagen zu können. Ja, wir waren schon sehr mutig! Doch rückblickend gesehen, gab es auch den ein oder anderen Moment, in dem ich nicht mutig, sondern einfach nur leichtsinnig war. Allen voran: Mehrere Fahrten ohne Helm auf dem Motorrad von Indern, die man vor dreißig Minuten kennengelernt hatte und die das Wort Führerschein sicher schon einmal gehört, so ein Papier aber noch nie in der Hand gehalten hatten.

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8. Zurück lassen

Wer auf Reisen geht, möchte sich selbst finden oder etwas hinter sich lassen. Klar, das trifft wohl nicht auf jeden, aber ganz sicher auf viele zu – auf uns auch! Während die Monate vor unserer Reise im Hinblick auf unser Studium sehr erfolgreich waren, lief „privat“ so einiges auf komischen Bahnen. Wir hatten gehofft, dass die Gedanken und Gefühle in Deutschland bleiben würden, aber Pustekuchen. Durch ganz Indien haben wir sie getragen, davon geträumt und stundenlange Gespräche geführt. „Zurück nach Hause nehmen wir diesen Gedankenquatsch und das Gefühlschaos aber nicht“ war unser Plan – und wie könnte man den besser umsetzen als mit einer dezent-theatralischen Aktion ala „Aufschreiben und Anzünden“. Ihr könnt lachen, aber es hat mehr als gut funktioniert! Es gibt tatsächlich Dinge, die ich „in Indien gelassen habe“.

9. Humor hilft

„We also have your size! Yes, we also have big size.“ In Sachen Kundengewinnung durch Komplimente hat der ein oder andere Inder noch Potenzial. A. und ich können ein Lied von schrägen Verkäufern singen. Aber: Humor hilft!

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10. Alles ist möglich

Wenn wir eines in Indien gelernt haben, dann: Sab kuch milega! Alles ist möglich! Und ja, das war es wirklich.

Eine meiner liebsten Anedoten: A. und ich sitzen auf der Dachterrasse in Jaisalmer, genießen den Ausblick auf das Ford und über die Dächer der Stadt und überlegen, was wir zum Mittag essen wollen. Die Karte lässt eigentlich keine Wünsche offen. Nur einen: Ladyfingers! Dieses Gemüse habe ich in Indien das erste Mal gegessen und sofort geliebt, weswegen es auch regelmäßig auf meinem Teller landete. Als der „Kellner“ (vermutlich der Sohn des Kochs) uns nach unserer Bestellung fragt, möchte ich wissen, ob es wohl auch Ladyfingers gäbe. Der Kleine schaut unsicher, wackelt mit dem Kopf und gibt uns zu verstehen, dass er mal in der Küche nachfragen würde. Lächelnd kommt er zurück: Ja, haben sie! Schön, ich freu mich. Ein noch größeres Grinsen (gepaart mit einem leicht ungläubigen Blick) macht sich auf meinem Gesicht breit als wir keine Minute später den Kleinen auf der Straße zum Markt sprinten sehen – Ladyfingers kaufen. So sieht „haben wir“ also aus. Also, das nenn ich mal Gastfreundschaft und Kundenservice. Sab kuck milega. Danke Indien!

1 Kommentar

  1. 14. Juli 2016 / 14:36

    Vor allem Punkt 2 und Punkt 3 – das liebe ich am Reisen am meisten. Jeden Tag von vorne bis hinten leben und für keine Entscheidung gerade stehen müssen! <3

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